Covid-19-Bekämpfung per Handy-App

NZZ | 7 April 2020

Länder wie China, Südkorea, Taiwan und Singapur haben die Corona-Pandemie vorerst erfolgreich unter Kontrolle gebracht – unter anderem mithilfe technischer Lösungen, die etwa Infizierte und ihre Kontaktpersonen aufspüren. Jetzt diskutiert auch Europa über solche umstrittenen Lösungen. Wir haben zwei Standpunkte eingeholt.

Ayesha und Parag Khanna / Ulrich Kelber  

Ayesha Khanna ist Gründerin und CEO von ADDO AI, einem Inkubator und Unternehmen für KI-basierte Lösungen. Sie berät Firmen und Regierungen zu Themen wie Smart City oder Fintechs. Khanna ist Mitglied des Vorstands der Infocomm Media Development Authority of Singapore, der Behörde, die die Digitalisierung der Stadt vorantreiben soll.

Parag Khanna ist ein indisch-amerikanischer Politikwissenschafter, Berater und Publizist. Er ist Gründer und Partner der Beratungsgesellschaft Future Map. In seinem jüngsten Buch «The Future Is Asian» beschreibt Khanna, wie sich das wirtschaftliche und politische Gravitationszentrum zunehmend Richtung Fernost verlagert. Zurzeit lebt Khanna mit seiner Familie in Singapur.

PRINCIPLES TO SAVE LIVES AND PROTECT PRIVACY

The fear of losing privacy through digital intrusion is legitimate, but the dichotomy between saving lives and protecting privacy is false. If data and artificial intelligence are strictly governed with transparent ethical guidelines, citizens could temporarily give private data to governments without fearing long-term mass surveillance.

China and most of its neighbors appear to have the pandemic largely under control, while Europe and the US are suffering excessive casualties and economic contraction. What are the lessons others can take away from the Asian experience of using digital technology to contain the virus?

First, let’s be clear: the fear of losing privacy in the digital age is real. However, emergency measures to save lives need not lead to systematic surveillance if proper governance is in place. Since the 9/11 terrorist attacks and subsequent sporadic attacks across Europe, governments have leveraged technologies such as security cameras and GPS tracking in the name of public safety. Americans are still divided on whether the US government has gone too far in surveillance, and policymakers continue to grapple with their responsibility to the collective and the demands of individual rights.

The Coronavirus presents a new opportunity

The Coronavirus presents a new opportunity to build strong criteria and frameworks for the use of personal data for public safety. Consider this scenario: A contact tracing app flags you as having been exposed to a Covid-19 patient. Due to data sharing across government and business, your employment records are flagged, you face additional questioning at borders, and your healthcare premium rises. While you supported the government’s efforts at contact tracing in the interest of your own and the public’s health, you now find yourself a victim of data abuse. This scenario can only be prevented through better governance.

DIE SICHT AUS EUROPA

Ulrich Kelber ist Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Deutschland.

GESUNDHEITSSCHUTZ DURCH DATENSCHUTZ

Die Abstände zwischen den Menschen werden grösser. Das gilt nicht nur für die körperliche Nähe, sondern auch für Meinungen. Einige Stimmen fordern, dass sich alle Grundrechte dem Gesundheitsschutz unterordnen sollen. Andere sehen die Gesellschaft am Rande staatlicher Totalüberwachung. Doch trotz den bereits geltenden Einschränkungen der Freiheit zeigen neuste Umfragen ein hohes Mass an Zustimmung zu den ergriffenen Massnahmen.

Als Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit tausche ich mich zum Thema Corona-App intensiv mit den zuständigen staatlichen Stellen, den Forschenden, den Entwickelnden und der Zivilgesellschaft aus. Die diskutierten Lösungsansätze machen eines deutlich: Datenschutz und Gesundheitsschutz sind keine Gegensätze.

Eine digitale Unterstützung der Pandemiebekämpfung ist ohne zusätzliche Einschränkungen der Grundrechte möglich. Aber nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger als Kooperationspartner auf Augenhöhe eingebunden werden. Neuste Umfragen belegen, dass schon jetzt etwa die Hälfte aller Menschen in Deutschland eine App auf ihrem Telefon installieren würde, die eine effektive digitale Nachverfolgung von Infektionswegen ermöglichen würde.

Die Dauer der Speicherung muss transparent sein

Aus meiner Sicht kann eine solche App nur erfolgreich sein, wenn sie folgende Grundsätze beachtet:

Die Nutzung muss freiwillig sein. Die Verpflichtung, ein Handy zu besitzen und dieses jederzeit aufgeladen bei sich zu führen, lässt sich in meinen Augen in einem Rechtsstaat nicht realisieren. Die gesamte Funktionsweise und insbesondere Art, Umfang und Dauer der Speicherung erhobener Daten müssen für alle Nutzenden transparent und verständlich beschrieben werden. Die Nutzung muss anonym möglich sein. Um Missbrauch vorzubeugen, ist die weitestgehende lokale Speicherung der erhobenen Daten unabdingbar. Erst wenn ein Nutzer positiv getestet wurde, wird auf die Kontakte der letzten 14 oder 21 Tage zurückgegriffen und diesen eine Risikowarnung gesendet. Nach spätestens 21 Tagen müssen die erhobenen Daten gelöscht werden. Die App darf nur zur und während der Pandemiebekämpfung zum Einsatz kommen. Es muss klar sein, wann die Daten unwiderruflich gelöscht werden. Und es muss ausgeschlossen sein, dass Dritte jemals Zugriff auf diese Daten oder bei der Nutzung entstandene Daten erhalten.

Es liegt in unser aller Interesse, dass nur eine App auf den Markt kommt, die die genannten Kriterien erfüllt. Nur dann können viele Bürgerinnen und Bürger einer solchen Massnahme ihr Vertrauen schenken.

Es ist möglich, die Pandemiebekämpfung digital zu unterstützen, ohne Grundrechte zu beschneiden. Für mich undenkbar sind deshalb Lösungsansätze, die auf staatlichem Zwang basieren. In einem demokratischen Rechtsstaat wären sie auch nicht umsetzbar.

Wer glaubt, das Vertrauen der Bevölkerung ausnutzen zu können, torpediert nicht nur die laufenden Lösungsbemühungen. Er entmündigt zudem die Menschen in diesem Land und wird zum bürgerrechtlichen Brandstifter.

Click here to read article

Previous
Previous

Featured in Arte.tv's Program Metropolis

Next
Next

These 6 Women Are Making Their Marks in Deep Tech Field